Ist das Glas halb voll, oder halb leer? Für Kyrylo Budanow, Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, ist es halb voll. Oder wie er etwas eigenwillig formuliert: „Ist ein Bleistift stark oder schwach? Das hängt davon ab, wie man ihn betrachtet.“ Was Budanow optimistisch stimmt, wie er im Gespräch mit dem „Economist“ (Quelle hier) sagt:
- Die Gegenoffensive ist noch nicht abgeschlossen. Die Ukraine hat noch Zeit. Es ist noch mehr als ein Monat Zeit bis zum Beginn der Schlammsaison, wie der „Economist“ Budanow zitierend schreibt.
- Die erste Verteidigungslinie der Russen an der Südfront wurde stellenweise durchbrochen, sodass die Operation zur Unterbrechung der Landverbindungen zwischen Russland und der Krim noch vor Wintereinbruch abgeschlossen werden könne.
- Russland setze jetzt schon Reserveeinheiten ein, die es bis Ende Oktober zurückhalten wollte. „Im Gegensatz zu den Erklärungen der Russischen Föderation verfügt sie über keinerlei strategische Reserven“, sagt Budanow.
- Die Ressourcen beim Material seien erschöpft. Russlands Wirtschaft wird nur noch bis 2025 durchhalten, sagt er. Der Zustrom von Waffen werde 2026 versiegen, „vielleicht sogar früher“, behauptet er.
Tatsächlich lassen sich Indizien für die Behauptungen von Budanow anführen. So hat Russland – wohl aus Mangel an Soldaten – seine Offensivaktivitäten im Nordosten der Ukraine fast gänzlich eingestellt. Die der Zahl der Luftabwehrsysteme scheint zudem aktuell begrenzt, anders sind die fortwährend erfolgreichen Angriffe der Ukraine auf die Krim nicht zu erklären. Russland kann hier offensichtlich keine Verstärkung nachziehen. Und als letztes: Putin muss inzwischen sogar in Nordkorea nach Waffen und Munition nachfragen, um genügend Nachschub aufzutreiben. Ein Indiz, dass die Reserven nicht mehr üppig sind.
Einer der großen Vorteile, die Russland aber noch hat, das gibt auch Kiews Geheimdienstchef zu: Eine fast unerschöpfliche Zahl an möglichen Soldaten. Aber auch hier, und das ist durchaus verwunderlich, scheint auf Putins Seite keine Eile zu herrschen. Bisher gibt es, trotz anderslautender Gerüchte, keine offizielle zweite Mobilmachung. Zwar läuft eine Schattenmobilisierung und der normale Rekrutierungszyklus zum Wehrdienst; schnelle Abhilfe für die dezimierten russischen Brigaden wird auch das nicht bringen.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Im neuen Finanzplan der US-Regierung steht nichts von weiteren Militärhilfen für die Ukraine. Doch Biden versichert: „Wir kriegen das hin.“ Die Gelder für Kiew sollen separat verhandelt werden. Mehr hier.
- Der US-Milliardär Elon Musk macht sich über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj lustig. Daraufhin schickt das Parlament umgehen eine Antwort. Mehr hier.
- Westliche Militärexperten sehen in einer Wiederbelebung der russischen Privatarmee Wagner unter Kontrolle des Machtapparats in Moskau eine mögliche neue Bedrohung für die Ukraine. Wagner könne als geeinte und große Formation mit militärischer Ausrüstung unter Kontrolle der russischen Nationalgarde oder des Verteidigungsministeriums zur Gefahr werden für Kiew, hieß es in einer vom US-Institut für Kriegsstudien (ISW) am Sonntag (Ortszeit) veröffentlichten Analyse. Mehr hier.
- Zur Unterstützung der Ukraine sind die Außenminister der EU-Staaten an diesem Montag zu einem historischen Treffen nach Kiew gereist. Es sei das erste Mal, dass es ein solches Treffen der Vertreter aller 27 EU-Staaten außerhalb der EU gebe, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Bei den Beratungen solle es um die aktuelle Lage angesichts des russischen Angriffskriegs und die Unterstützung der EU für die Ukraine gehen. Mehr in unserem Newsblog.
- Russland setzt in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Kremlangaben auf eine zunehmende Ermüdung im Westen bei der Unterstützung des Landes. „Wir haben immer wieder schon früher gesagt, dass nach unseren Prognosen eine Müdigkeit bei diesem Konflikt eintreten wird, in verschiedenen Ländern die Ermüdung von diesem völlig absurden Sponsoring des Kiewer Regimes zunimmt, darunter auch in den USA“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge.
- Italien hat offiziell die Schirmherrschaft für den Wiederaufbau des von der russischen Armee schwer beschädigten historischen Zentrums der ukrainischen Stadt Odessa übernommen. Außenminister Antonio Tajani unterschrieb am Montag in Kiew eine entsprechende Erklärung.
- Vor allem wegen der milliardenschweren Waffenlieferungen in die Ukraine steuern die deutschen Rüstungsexporte in diesem Jahr auf einen Rekord zu. In den ersten drei Quartalen hat die Bundesregierung bereits Ausfuhren im Wert von 8,76 Milliarden Euro genehmigt und damit mehr als im gesamten Vorjahr (8,36 Milliarden Euro).
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterstreicht nach einem Treffen mit den EU-Außenministerinnen und -ministern in Kiew, wie wichtig aus seiner Sicht die Unterstützung der Europäer ist. Ein Sieg der Ukraine im Krieg gegen Russland hänge von der Zusammenarbeit mit der EU ab.
- Frankreichs Rüstungsindustrie hat mit der Ukraine ein gutes Dutzend Verträge über die Lieferung zusätzlicher Artilleriesysteme, Drohnen, Ersatzteile und Amphibienfahrzeuge unterzeichnet. Diese seien ein Ergebnis des internationalen Forums der Verteidigungsindustrie, hieß es am Montag aus übereinstimmenden Quellen.
- Die Ukraine hat seit dem Sommer deutlich weniger Getreide ausgeführt als vor Jahresfrist. In der laufenden Saison 2023/24, die im Juli begonnen habe, seien bislang 6,68 Millionen Tonnen Getreide exportiert worden, 25,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, teilt das Landwirtschaftsministerium mit. Eine Erklärung dafür wird nicht genannt.
- Die russischen Marineflieger gewinnen im Krieg gegen die Ukraine nach britischer Einschätzung zunehmend an Bedeutung. Russland nutze auch angesichts ukrainischer Angriffe auf die russische Marine die Seeluftstreitkräfte beim Versuch, den Nordwesten des Schwarzen Meeres zu kontrollieren, teilte das britische Verteidigungsministerium am Montag mit. Hauptaufgabe sei vermutlich, die frühzeitige Identifizierung von Drohnenbooten, mit denen die Ukraine zuletzt immer wieder russische Schiffe attackiert hatte.
- SPD-Fraktionsgeschäftsführer Rolf Mützenich macht gezielte Machenschaften Russlands und Belarus für den starken Anstieg der Asylanträge in Deutschland mitverantwortlich. „Wir erleben eine Folge hybrider Kriegsführung von Seiten Russlands, bei der gezielt Flüchtlinge unmittelbar aus Syrien und anderen Krisengebieten eingeflogen und durchgeschleust werden, mit dem Ziel Europa zu destabilisieren“, sagt der SPD-Politiker der Zeitung „Augsburger Allgemeinen“.
- Die Ukraine hat nach inoffiziellen Angaben den russischen Flughafen Sotschi am Schwarzen Meer mit Kampfdrohnen angegriffen. Ziel sei ein Abstellplatz für Hubschrauber gewesen, berichteten Kiewer Medien am Sonntag unter Berufung auf Geheimdienstquellen.
Author: John Martinez
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